"Big Data führt zu digitalen Geschäftsmodellen und neuen Dienstleistungen"

Dr. Bernd Bienzeisler ist Mitautor des bei LOG_X in Kürze erscheinenden eBooks Richtung Zukunft. Mit ihm sprach Michael Rohn, Verlagsleiter bei LOG_X.

LOG_X: Herr Dr. Bienzeisler, könnten Sie in ein, zwei Sätzen sagen, was genau Sie unter ‚Kognitiven Dienstleistungssystemen‘ verstehen? Unter dem Begriff verstehe ich datenbasierte Geschäftsmodelle, die durch digitale Verknüpfung von Prozessen unterschiedlicher Anbieter – und zwar in einem Dienstleistungs-Ökosystem – möglich werden. Früher waren diese Prozesse getrennt, durch die Digitalisierung lassen sie sich jetzt jedoch verknüpfen.

LOG_X: Wo spielt aus Ihrer Sicht bei diesem Thema die Musik? Die zentrale Frage lautet: Wo zieht man in einer Zeit, in der – zumindest theoretisch – alles mit allem verknüpfbar ist, die Systemgrenze? Das Denken folgt heute oftmals der Formel „Anything goes“. Klingt gut, ist aber falsch. Denn es muss entschieden werden: Wo setzen wir an? Und wo macht es Sinn, prozessbezogene Daten über Sensorik und IoT-Applikationen verfügbar zu halten?

im gespraech bernd bienzeisler richtung zukunft 600

LOG_X: Das ist also aus Ihrer Sicht eine Art Megatrend? Richtig. Dahinter steht auch die Frage nach der Nutzung von Daten. Ganz konkret: Wie lässt sich aus Daten Mehrwert generieren? Die Verknüpfung physischer und digitaler Infrastrukturen ist ein Megathema. Am Ende steht, wie bereits gesagt, immer die Frage: Wo beginnen wir – und wo hören wir auf? End to End lässt sich vieles vorstellen. Aber die Welt wird dann schnell so komplex, dass einem schwindlig wird.

Die Menge an Daten ist in diesem Zusammenhang dabei nicht das eigentliche Problem. Vielmehr lautet die Frage: Haben wir die richtigen Daten? Liegen sie in unterschiedlichen Formaten vor? Existieren auch Datenlücken? Die Herausforderung lautet, die richtigen Daten für den richtigen Anwendungszweck zur Verfügung zu stellen.

LOG_X: Worauf sollten Unternehmen achten, wenn sie sich dem Thema nähern? Auf alle Fälle darauf, dass ihr Datenmanagement integraler Bestandteil einer Digitalisierungsstrategie ist. Eine Vorgehensweise nach dem Motto „Schnell-mal-was-mit-Daten-machen“ ist nicht wirklich zielführend. Wenn das Management noch mit Papier und Bleistift arbeitet, sollte man nicht gleich mit Predictive Maintenance beginnen. Das Unternehmen muss einen gewissen digitalen Reifegrad aufweisen. Nochmal: Digitalisierung ist ein ganzheitlicher Prozess, der eine Strategie benötigt und der von ganz oben gelebt werden muss.

LOG_X: In Ihrem gemeinsamen Vorwort sprechen Sie von der Relevanz Kognitiver Dienstleistungssysteme. Die Relevanz des Themas kann man nicht hoch genug einschätzen. Zwar stehen wir erst am Anfang der Digitalisierung, aber ich bin davon überzeugt, dass die Digitalisierung für die Ökonomie und die Gesellschaft einen ähnlichen Effekt haben wird wie die Industrialisierung. Die Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie, die Spielregeln, auch die Player werden völlig andere sein. Bestes Beispiel: das Auto als „vernetztes Device“. Aus einem Fortbewegungsmittel wird ein mobiles, digitales Device, in dem wir unsere Zeit verbringen. Damit verändert sich die Perspektive komplett: auf Kunden, auf Produkte, auf den Mehrwert.

LOG_X: Wer sollte Ihr Buch lesen? Wir sprechen ganz bewusst nicht nur ein Fachpublikum an, sondern richten uns an alle, die sich dafür interessieren, was um sie herum in Sachen Dienstleistungsentwicklung vor dem Hintergrund der Künstlichen Intelligenz passiert. Unser kompaktes eBook bietet hier ein breites Themenspektrum.

LOG_X: Letzte Frage. Welche Rolle spielt die Forschung in dem digitalen Kosmos? Kurz gesagt: Forschung ist der Kitt, der das Ganze zusammenhält. Möglicherweise wird die Forschung in einer Digitalökonomie auch vom Umfang her eine ganz andere sein als es heute der Fall ist. Wenn nun auch der Dienstleistungssektor durch Künstliche Intelligenz weiter automatisiert und rationalisiert wird, werden immer mehr Mitarbeiter in der Forschung benötigt werden. Der amerikanische Ökonom und Pionier der Dienstleistungsforschung William J. Baumol antwortete auf die Frage, wo denn die Menschen künftig Beschäftigung finden, folgendermaßen: „We have to put them into the innovation system!“ Meint: Forschung wird künftig nicht etwas sein, das nur die Wissenschaft betrifft. Jedes Unternehmen wird Forschung betreiben müssen. Forschung wird, wenn Sie so wollen, in jeden Bereich ‚diffundieren‘.

LOG_X: Herr Dr. Bienzeisler, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

Dr. Bernd Bienzeisler leitet seit Juni 2019 das Forschungs- und Innovationszentrum Kognitive Dienstleistungssysteme (KODIS) auf dem Bildungscampus in Heilbronn. Er ist Mitautor des aktuellen eBooks Richtung Zukunft.

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